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Berichte

Monatsbericht Februar
01.03.2011 - 22:30 Uhr
 

Der Monat war kurz, aber es ist dennoch wieder einiges passiert. Ich fange mal mit den Neuigkeiten in der Schule an:

Als ich Anfang Februar frühs nichts ahnend zu meinem Unterricht im Computer-Lab laufe, fielen mir bald die Augen aus, als ich dort ankam: Nicht ein Computer stand mehr im Lab und sämtliche Kabel waren Kreuz und Quer im Raum verteilt. Was zum Geier war passiert?

Die beiden ghanaischen ICT-Lehrer hatten sich gedacht, dass es nach der staubigen Harmattan-Zeit und vor Beginn der Hot-Season doch mal ganz sinnvoll wäre, die Computer vom Dreck zu befreien. Also wurden vor dem Lab alle Computer von den Schülern auseinandergebaut und mit einem starken Laubpuster durchgeblasen. Leider hatte erstens niemand darüber nachgedacht, dass diese Hau-Drauf-Methode das Innenleben des Computers beschädigen könnte und so hattem wir mehrere Computer-Ausfälle zu beklagen. Zweitens hatte sich auch keiner überlegt, wie es nach der Putz-Aktion weitergehen soll. Aber dafür bin ich ja hier, nicht wahr?

Ich habe bis spät abends alle Computer und Monitore wieder hergestellt, neu im Computerraum aufgebaut (dabei die funktionierenden von den nicht-funktionierenden getrennt) und zu guter letzt das ganze Netzwerk neu verlegt.

Nach dieser Aktion war ich durchaus stolz auf mich und ich finde, der neue Aufbau der Computer hat das Feng Shui im Lab erheblich verbessert. =)

Ebenfalls verschönert wurde das Lehrerzimmer der Schule, nachdem beim letzten Staff-Meeting beklagt wurde, dass dieses zu heruntergekommen sei. Im Laufe des Monats wurde ein neuer schicker PVC-Bodenbelag, neue Gardinen, Gardinenstangen, ein Handtuchhalter und ein Spiegel angebracht und inzwischen haben wir eines des schönsten Lehrerzimmer der Welt. Dies motiviert die ghanaischen Kollegen aber leider dazu, noch mehr Zeit dort vor dem Fernseher zu verbringen, obwohl sie eigentlich unterrichten sollten.

Manchmal habe ich das Gefühl, die Lehrer wären nur zufrieden, wenn sie garnicht unterrichten müssten. Das zeigte sich auch wieder bei dem neuen Stundenplan, welchen Hans zum Anfang des Monats erstellt hat. Anstatt eines Dankeschöns hagelt es selbst jetzt, mehrere Wochen nach Einführung des Plans, immernoch sinnlose Beschwerden, Änderungswünsche und Forderungen.

Ein Lehrer meinte letztens völlig empört über seinen Stundenplan, dass es doch unmenschlich sei, ihm an einem Tag ganze sechs Unterrichtsstunden (jeweils 45 Minuten) mit gerade einmal 30 Minuten Pause dazwischen aufzutragen. Es entfachte eine heiße Diskussion im Lehrerzimmer über die Gefahren eines Burn-Outs und Überarbeitung. Manche Lehrer arbeiten gerade einmal drei oder vier Unterrichtsstunden pro Woche.

Dieser Pseudo-Arbeits-Stress wird leider viel zu oft an den Schülern ausgelassen. Letztens wurde mir berichtet, dass in der Grundschule von Kaleo ein 6-Jähriger so stark mit dem Schlagstock geprügelt wurde, dass er mehrere Tage im Krankenhaus lag.

Manchmal wünsche ich mir das deutsche Schulsystem nach Ghana.

Ich hatte das Schulsystem schon einmal in einem anderen Bericht kurz umrissen:

Es gibt hier keine Unterscheidung nach Leistungsfähigkeit der Schüler wie bei den Gesamtschulen und Gymnasien in Deutschland, sondern die Senior High School kann jeder besuchen, der die Junior High School beendet hat und das Geld hat, um die Schulgebühren zu bezahlen. Dies führt zu enormen Leistungsunterschieden in den Klassen.

Zudem muss man, wenn man in einem der vier Jahre an der Senior High School durchfällt, wieder im ersten Jahr anfangen. In meiner Form 3 habe ich dadurch Schüler im Alter von 16 Jahren und Schüler im Alter von 23 Jahren – in einer Klasse!

Ansonsten standen hier diesen Monat die MOCK-Prüfungen für die Form 4 an. Auch hier kam es wieder zu einer typisch ghanaischen Panne: Am Morgen der ersten Prüfung wurde spontan von der Schulleitung bekannt gegeben, dass jeder Schüler, der die Prüfung schreiben möchte, 10 Cedi (5 Euro) zahlen müsse. Da von den 180 Schülern in der Stufe aber nur 18 Schüler die 10 Cedi aufbringen konnten, haben halt nur 18 die Prüfung geschrieben. Es gibt Dinge, die versteh ich hier einfach nicht.

Für das neue Schlaf-Gebäude, welches hier seit Ewigkeiten gebaut wird, hat die Regierung Mitte des Monats eine LKW-Ladung mit 300 Doppelstock-Betten und der entsprechenden Anzahl an Matratzen gesponsort. Während die Betten von den Schülern aufgebaut wurden, wurden die Matratzen einfach in einem Klassenraum deponiert. Sehr sinnvoll, denn wenn es hier an einem mangelt, dann sind es Klassenräume. Also hat Hans sich der Sache angenommen und in einer Nacht und Nebel-Aktion alle Matratzen in unser anderes Freiwilligen-Haus verfrachtet. Das Haus ist jetzt brechend voll mit Matratzen und ich bin gespannt, ob diese bis Juli, wenn wir dort wieder einziehen müssen, einen anderen Platz finden.

Auch außerhalb des Schulgeländes war unsere Schule aktiv diesen Monat.

Zum einen gab es ein Fußball-Match gegen die Secondary School Jirapa, welches von unserem Team mit viel Glück zu einem 1:1 Endstand gerettet werden konnte.

Viel blamabler hingegen war der Mathe-Wettbewerb in Lawra, zu dem ich mit einer Delegation an Schülern gefahren bin. Zu diesem Wettbewerb sollte jede antretende Schule 30 Mathematik-Fragen mitbringen, welche dann zusammengewürfelt und zufällig den einzelnen Schulen gestellt wurden. Die Schüler der Schule hatten dann pro Frage 1 Minute Zeit und 3 Versuche, die richtige Antwort zu geben. Konnten Sie die Frage nicht lösen, konnte die nächste Schule einen Abstauber-Punkt holen. Soweit ganz logisch, doch hatte natürlich jede Schule ihren Schülern bereits vorher die Fragen und Lösungen mitgeteilt, welche sie einreichte. Daher gab es zunächst ein 2stündiges Krisengespräch mit allen Lehrkräften und am Ende trotzdem reichlich Beschiss. Unsere Schule erreichte im Bereich „Elective Maths“ immerhin noch den fünften von sieben Plätzen, im Bereich „Core Maths“ wurden wir hingegen Letzter von elf Schulen aus ganz Upper West Ghana. Traurig.

Es gab aber noch einen dritten Reinfall: Vergangene Woche wurde ein Lehrertreffen für alle ICT- und Naturwissenschafts-Lehrer aus der Region angekündigt, um über neue Lehrpläne und Lehrmethoden zu debattieren. Hans und ich sind mit 3 weiteren Lehrern unserer Schule zu diesem vielversprechenden Treffen in Jirapa gefahren, und es war... naja... ghanaisch. Punkt eins der Tagesordnung hieß: „Wir haben keine Tagesordnung.“ Es gab schlicht und einfach keine vorbereitete Diskussionsgrundlage. Ok, Punkt 2 der nicht vorhandenen Tagesordnung: „Jeder Anwesende muss 5 Cedi für dieses Treffen zahlen, für Verpflegung etc.“ - es gab aber auch keine Verpflegung. Also kam man nach über 3 Stunden zu dem Entschluss: Keiner zahlt irgendwas, sondern wir sehen uns alle in ein paar Wochen wieder – dann hoffentlich mit Tagesordnung.


Ok, dass soll erstmal genug sein vom Schul-Leben, jetzt noch ein wenig von der „privaten“ Seite:

Am Anfang des Monats wurden wir zu einer Feier von den amerikanischen Freiwilligen aus unserer Region nach Jirapa eingeladen. Und man glaubt garnicht, wie verdammt viele Weiße es hier doch tatsächlich gibt. Wir sind sonst nur alle in unseren kleinen Dörfern verteilt und sieht uns nie so auf einem Haufen.

Es hatte definitiv Flashmob-Charakter, als sich um Punkt 19 Uhr auf der Kreuzung in Jirapa etwa 25 Weiße trafen, begrüßten und dann wieder in alle Himmelsrichtungen entschwanden, um zu essen und zu trinken. Die Ghanaer um uns herum kamen aus dem Staunen garnicht mehr heraus. Lustige Aktion.

Dadurch, dass wir jetzt so viele andere Freiwillige kennen, gehen wir fast jedes Wochenende mit denen zusammen irgendwo hin, um gemeinsam was zu trinken oder einfach nur zu quatschen.

Letztes Wochenende war ich beispielsweise bei einem philippinischen Freiwilligen in Nandom, ca. 100 Kilometer nördlich von Kaleo. Mit ihm bin ich zusammen bis an die Grenze von Burkina Faso gefahren, um uns dort (nach kurzer Absprache mit dem Grenzer, weil ein Visum mehrere hundert Euro kosten würde) ein paar Meter auf den Boden von Burkina Faso zu begeben. Wir haben viele tolle Fotos gemacht und es war ungewohnt, dass plötzlich alle Menschen nur noch Französisch sprechen. Leider war in der Grenzstadt an diesem Tag kein Markt-Tag, denn am Markt-Tag kann man dort unter anderem Baguette und andere tolle Dinge kaufen, die es in Ghana nicht gibt. Aber ich war bestimmt nicht zum letzten mal dort.

Ein anderes Wochenende waren wir bei einem ghanaischen Freund in Ullo, einem Dorf mitten im Nichts. Dort haben wir ein Schwein gekauft, geschlachtet, geflammt, ausgenommen und auf einem Spieß überm Feuer gegrillt. Die Aktion hat ziemlichen Spaß gemacht und das fertige Schwein war unglaublich lecker.

Nur leider hatten wir am nächsten Tag ziemliche Probleme, aus Ullo weg zu kommen.

Die ersten 5 Kilometer von Ullo in Richtung Jirapa (insgesamt sind es etwa 30 Kilometer) hat uns ein freundlicher Motorradfahrer mitgenommen. In der Hoffnung, dass bald der nächste Motorradfahrer kommen würde, liefen wir also einfach mal die Straße in Richtung Jirapa entlang los. Und liefen .. und liefen .. und liefen. In der brennenden Mittagshitze und mit sage und schreibe 0,2 Liter Trinkwasser bewaffnet liefen wir und liefen. Nicht ein einziges Fahrzeug kam an uns vorbei. Nach etwa 2 Stunden/10 Kilometern laufen, rangen wir uns dazu durch, an einem Brunnen das Grundwasser zu trinken – was blieb uns anderes übrig. Nach einer weiteren Stunde, also insgesamt fast 15 Kilometern, kam es dann wie eine Oase vor uns: Ein Pito-Stand. Wir haben fast den ganzen Bestand an alkoholfreiem Pito aufgekauft und sind dann (inzwischen mit enormem Sonnenbrand) weitere 2 Kilometer gelaufen, bis endlich ein Motorrad kam, was uns den restlichen Weg bis Jirapa mitgenommen hat.

Das war echt eine interessante Erfahrung auf dieser langen trockenen Straße, denn es gab nirgendwo Trinkwasser, Schatten oder gar Mangos. Es gab einfach nichts. Ich hätte alles für einen McDonalds am Straßenrand gegeben.

Für zukünftige Freiwillige aber vielleicht ganz interessant: In Accra werden derzeit mindestens 4 McDonalds-Fillialen gebaut. =D

Ok, und zum Schluss muss ich noch kurz von einem Tanz-Festival in Sankana erzählen, welches ich gestern besucht habe:

Bei diesem traditionellen Festival sind animalisch verkleidete Ghanaer durch das ganze Dorf getänzelt, stets begleitet von afrikanischer Trommelmusik. An einigen markanten Plätzen haben sie sich dann mit den Dorfbewohnern umgeben und mit ihnen getanzt. Die Menschen haben ihre Kinder und Kranken zu den verkleideten Kreaturen gebracht, damit sie diese von ihren Leiden befreien. Alle herumstehenden Zuschauer haben dann kleine Geldbeträge auf den Boden geworfen, auf dem die Verkleideten getanzt haben.

Wenn die verkleidete Person weiterziehen wollte, hat sie einen Stock genommen und leicht um sich gehauen oder die Fahrräder von den herumstehenden Menschen umgeworfen, um zu zeigen, dass sie ihm folgen sollen.

Alles in allem ein ziemlich beeindruckendes, aber auch unheimliches Spektakel, wie man es sich klischeehaft für traditionelle afrikanische Dörfer vorstellt.

Leider habe ich davon keine Fotos machen können, weil mir erklärt wurde, dass wenn man Fotos von dieser spirituellen Tradition macht, die Kamera kaputt geht. ;-) Aber die Ghanaer haben auch schon erzählt, dass man ein Chamäleon zurückbeißen muss, wenn man gebissen wurde, damit man nicht stirbt und dass giftige Eidechsen den Mund besiedeln, wenn man sich nach dem Essen nicht die Krümel vom Mund wäscht.

Das wars dann auch schon wieder. Die Fotos zu diesem Bericht gibts in der Galerie.


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Christopher Ullrich
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