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Berichte

Die letzten Wochen in Ghana
15.12.2011 - 21:11 Uhr
 

Heute kommt er endlich: der lang ersehnte Blog-Eintrag über die letzten Wochen meines Freiwilligen-Dienstes in Ghana.

Nachdem wir also wie im letzten Bericht geschrieben, extra unseren Kurzurlaub in Kumasi vorzeitig beendet haben, um auf gar keinen Fall das letzte Lehrertreffen des Schuljahres zu verpassen, war es am Morgen des 2. August soweit: In großer Erwartung gingen Hans und ich zum Lehrerzimmer, denn heute sollten wir uns endgültig von unseren Kollegen und Vorgesetzten verabschieden. Schon Wochen vorher haben wir mit verschiedenen Lehrern darüber gesprochen und auch als Jason wenige Tage zuvor feierlich verabschiedet und reichlich beschenkt wurde, lauerten wir insgeheim schon auf eine gleichwertige Verabschiedung.

Doch dann kam alles ganz anders. Die Lehrerkonferenz verlief einfach wie jede andere Lehrerkonferenz zuvor auch - mit vielen unwichtigen Problemen, auf welche nach langer Diskussion doch keine Lösung gefunden werden konnte, mit der Umlegung der Schulgebühren der Schüler auf die Gehaltschecks der Lehrer und vielen Kritiken an die Arbeitsmoral. Einzig interessant war, dass nach langem Stillschweigen doch noch einmal über den Lehrer gesprochen wurde, welcher Wochen zuvor ausgerastet war und die Schülerschaft verprügelte, welche daraufhin das Schulgelände demolierte. Details dazu in einem der früheren Berichte. Zum Schuljahresende wurde Gott sei Dank doch noch die einzig richtige Entscheidung getroffen und der entsprechende Lehrer entlassen.

Als der Schulleiter auch bis zum Ende der Konferenz nicht unsere Heimreise erwähnt hatte und die ersten Lehrer bereits am Aufbrechen waren, ergriff Hans erboßt das Wort und wieß den Schulleiter darauf hin, dass wir uns gerade alle zum letzten Mal sehen und wir im nächsten Term nicht mehr als Freiwillige an der Schule sein werden. Die Reaktion des Schulleiters: "Oh, ihr geht? Hmm..." - mehr nicht.

Während ich in diesem Moment keine Lust mehr hatte, überhaupt noch irgendetwas zu sagen, ließ Hans es sich aber nicht nehmen, doch nocheinmal die wichtigsten Kollegen zusammenzutrommeln und sich von seiner Seite aus für die Zusammenarbeit zu bedanken und alles Gute zu wünschen. Zudem bat er um ein paar Fotos, zu welchen sich aber auch nur eine Hand voll Kollegen überreden lassen konnten. Eine miesere und unfreundlichere Verabschiedung hätte uns die Schule nicht machen können. Es hat sich echt gelohnt, dafür den Urlaub abzubrechen und über Nacht nach Kaleo zu kommen.

Direkt nach der Konferenz düste ich direkt wieder mit Sack und Pack nach Wa, um von dort aus den Nachtbus in den Süden zu nehmen. Ich wollte die letzten Wochen nocheinmal nutzen, um durchs Land zu reisen und einige interessante Orte, welche bisher zu kurz gekommen waren, zu besuchen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass dieser Urlaub ebenso daneben gehen sollte, wie die Lehrerkonferenz.


Von Wa aus fuhr ich zunächst mit dem Bus nach Kumasi, wo ich kurz nach Mitternacht ankam und dann durch die halbe Stadt lief, um einen Bus nach CapeCoast zu bekommen. Leider gibt es mitten in der Nacht nicht allzu viele Menschen, die von Kumasi nach Cape Coast fahren wollen - dennoch halten die TroTros an ihrer Methode fest, erst loszufahren, wenn die Karre voll ist. Aber wer hätte ahnen können, dass das sage und schreibe 7:30 Stunden dauert!

In den Morgenstunden ging es dann also weiter bis nach CapeCoast. Was ich da überhaupt wollte? Laut Medienberichten und Hören-Sagen habe ich erfahren, dass dort zu dieser Zeit das Pana-Fest stattfindet, welches als das größte Kultur-Festival Afrikas gilt, welches nur alle zwei Jahre stattfindet und für welches weltweit Reisebüros Sonder-Reisen nach Ghana anbieten - klang also nicht schlecht.
Ums kurz zu machen: In CapeCoast angekommen erfuhr ich, dass es kein Festival gibt. Ob abgesagt oder nie geplant - man weiß es nicht.

Eine Stunde später fuhr ich mit dem nächsten Bus auch schonwieder aus der Stadt raus, wo ich eigentlich vorhatte mehrere Tage das Festival zu feiern. Der Urlaub konnte nur besser werden.
Um meine Stimmung wieder ein bisschen zu heben steuerte ich direkt Accra an, um von dort aus nach "Kokrobitey" zu fahren, einem am Strand gelegenen Ort etwas außerhalb der Hauptstadt mit angeblich viel schönem Touristen-Schnickschnack. Tatsächlich hat das Dörfchen trotz Nähe zur Hauptstadt einen recht sauberen Strand und ist auch sonst ziemlich chillig. Aber leider - wer hätte es anders erwartet - ziemlich von Touristen überlaufen. Am Hotel "Milly's Backyard" verbrachte ich zusammen mit den ansässigen Kunsthändlern meinen Nachmittag am Strand, lernte das Spielen eines ghanaischen Murmel-Spiels und versprach, in 2 Wochen nochmal wiederzukommen um ein bisschen von dem touristischen Krempel für die Verwandten in Deutschland einzukaufen.

Die Nacht verbrachte ich im VSO Haus in Accra, da der philippinische Freiwillige Jonathan grad auch zufällig dort war. Am nächsten Morgen ging die Pleiten-Pech-und-Pannen-Reise weiter: Tagesziel: In Ada Foah (dort wo der Volta-Fluss ins Meer mündet) eine Bootstour machen und das schöne Volta-Delta mit den vielen kleinen Inselchen durchqueren, um am anderen Ufer weiter über Aflao nach Ho in der Volta-Region zu fahren. Leider führte eine zeitweilige Orientierungslosigkeit meinerseits in Accra dazu, dass ich erst gegen Mittag ein TroTro nach Ada Foah bekam, wo ich entsprechend erst am frühen Nachmittag ankam. Anscheinend gibt es auch in Ada Foah ein großes Touristen-Hotel, denn um solche Weißen-Hochburgen herum lungert es immer nur so von aufdringlichen Guides und Leuten, die einem das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Schon bei Erreichen der Tro-Station rannten zahlreiche junge Burschen unserem Fahrzeug nach und umzingelten mich beim Aussteigen. Da ich keine Ahnung hatte wo ich war, suchte ich mir den vertrauenswürdigsten Herrn aus und ließ mich zum Flussufer bringen. Leider sei aber die Fähre auf die andere Uferseite kaputt und ob ein anderes Boot zum Übersetzen heut noch käme, sei ungewiss. Er könne mich aber in seiner Nussschale für umgerechnet 10 Euro einmal durch das Delta paddeln. Nein Danke - wie bereits in CapeCoast nahm ich auch in AdaFoah schon eine Stunde nach Ankunft wieder ein TroTro raus aus der Stadt.

Da sich mein Plan, mittels Fähre über den Fluss zu fahren, erledigt hatte, musste ich nun einen deutlich zeitaufwendigeren Weg über Land in Kauf nehmen und somit mein Etappenziel Ho vergessen. Stattdessen kam ich um kurz nach 21 Uhr in Aflao, der Grenzstadt über welche Hans und ich im April nach Togo ausgereist sind, an und nahm mir ein Hotel für die Nacht. Wenn das kein erfolgreicher Tag war. Immerhin konnte ich in Aflao zum Abendbrot togolesische Brause und einen sensationellen Meeresfrüchte-Salat mit Baguette genießen.

Am nächsten Morgen ging es dann mit 5 Baguettes und leckeren Keksen als Reiseproviant (Ich ließ später aus versehen alles in einem TroTro liegen) weiter nach Ho. Da die Stadt nicht wirklich viel Sehenswertes zu bieten hat, besuchte ich nur das kleine Museum über die Geschichte der Region, wobei ich sagen muss dass die Reiseführer-Formulierung "bescheiden" die Ausstellung noch sehr wohlwollend umschreibt.
Weiterhin wollte ich in Ho unbedingt die im Reiseführer erwähnten alten Gräber der ehemaligen deutschen Kolonialherren besichtigen, denn diese Region war ja einmal zusammen mit Togo deutsche Kolonie. Ich tat mich allerdings sehr schwer mit dem abstrusen Taxi-System in Ho: Soweit ich das verstanden habe, stellt man sich winkend an den Straßenrand und brüllt jedem vorbeifahrenden Taxifahrer durch die Beifahrerscheibe hindurch zu, wo man hinmöchte. Passt der Wunsch zur Route des Fahrers, zieht dieser die Handbremse.

Rechts und links von mir standen überall winkende Menschen, blitzschnell hielten Taxis, die Insassen wechselten und weiter gings. Das hatte was von einem alten Computerspiel - es fehlte nur noch die Tetris-Melodie im Hintergrund. Das Problem an der Sache war nur, dass scheinbar kein einziges Taxi in dieser Stadt zum Friedhof fahren wollte. Nach einer Stunde zeigte sich ein Fahrer gnädig und fuhr mich doch noch zum Friedhof, welcher allerdings weit weit weit außerhalb der Stadt lag. Ein kleines Stück zugewucherte Wiese mit 5 Grabsteinen und - ihr ahnt es schon - weit und breit keinem Kolonialherren-Grab.
Gefrustet fuhr ich zurück in die Stadt und von dort weiter über die schöne Hochstraße nach Hohoe. In dem mir bereits bekannten "Geduld"-Hotel konnte man mir zunächst nicht sagen, ob noch Zimmer frei sind, so dass ich kreuz und quer durch die Stadt fuhr, um eine preisgünstige aber akzeptable Alternative zu finden. Nach 2 Stunden landete ich doch wieder im Geduld Hotel.

Samstag, 6. August, Hohoe: Heute hatte ich es mir fest vorgenommen, es sollte der erste Tag dieses Urlaubs werden, welcher absolut pannenfrei abläuft. Zunächst schien das auch ganz gut zu funktionieren: Ich fand im Ort direkt ein passendes Tro um an mein Ziel, den Wli-Wasserfall in den Bergen bei Hohoe, zu kommen. Dort angekommen entschied ich mich für die "kleine Tour", welche für einen ca. einstündigen Spaziergang entlang eines Baches bis hin zum Wli-Wasserfall, steht. Über zahlreiche Brücken überquert man immer wieder den Bach und steht am Ende des Pfades mitten im Wald vor einem giantischen Wasserfall, wie man ihn an dieser Stelle nie erwarten würde. Gut 60 Meter tief fällt das Wasser hier grenzüberschreitend von Togo nach Ghana. Der Spaziergang von und zum Wasserfall hat mir wirklich sehr gut gefallen, weil dort weit und breit keine Menschenseele anzutreffen war und man so dem Wasser lauschen, die Natur bewundern und kuriose Tiere beobachten konnte.
Zurück in Hohoe machte ich mich auf die Suche nach einem Visa-Automaten, um Geld abzuheben. Leider hatte ich in meiner Naivität die Warnung im Reiseführer nicht für voll genommen: "Achtung: Es gibt in Hohoe keine Möglichkeit Geld abzuheben" - Verdammte Sch***! Der Tag hatte doch so gut angefangen.
Aber was blieb mir anderes übrig, als die knapp 3-stündige Tour zurück nach Ho auf mich zu nehmen, dort Geld abzuheben und wiederum 3 Stunden zurück nach Hohoe zu fahren...

Am nächsten Morgen fuhr ich von Hohoe zurück nach Accra und überquerte dabei die wunderschöne, 640 Meter lange, frei hängende Brücke über den Volta-Fluss bei Senchi, etwas südlich des Akosombo Staudamms. Im Vorbeifahren konnte ich die einmalige Schönheit der Natur in dieser Region bewundern und bedauere sehr, dass ich dort nicht noch einen längeren Zwischenstopp einlegen konnte.
Zum Frustabbau stoppte ich vor meiner Rückreise nach Wa noch kurz in der Accra Mall und gönnte mir für umgerechnet 7 Euro ein paar Scheiben abgepackten Schinken - ich konnte nicht anders. :-D

Zurück in der Upper West gestalteten sich die letzten anderhalb Wochen sehr stressig. Während Hans durch Malaria und nicht-wirkende Gegenmittel tagelang ausgeschaltet war, fuhr ich am 11. August nach Jirapa, um mich mit den dortigen deutschen Freiwilligen im neuen Heim für Weisen und von ihren Eltern vernachlässigte Kinder zu treffen. Denn wie ich in einem meiner ersten Berichte geschrieben hatte, bekam ich in Vorbereitung auf meinen Freiwilligendienst von der Online-Community Jappy.de ein großes Paket mit T-Shirts und Spielzeug für die Kinder in Ghana. Da es den kleinen Bewohnern des Heimes an nichts mehr mangelte, als an Spielzeug, war es mir eine Freude, dort die Sachen zu verteilen.
Die Steppkes freuten sich unbeschreiblich über die Spenden und sangen glücklich ein Dankes-Lied in Dagaare. An dieser Stelle nocheinmal ein großes Dankeschön an die Firma Jappy für diese tolle Spende.
Sehr schöne Fotos von der Übergabe-Aktion findet ihr in meiner Galerie.

Die letzten Tage in Kaleo nutzen wir schließlich, um mit all unseren Freunden noch einmal einen Pito zu trinken (und Hundefleisch zu essen :-D Der Geschmack ist echt in Ordnung!), viele Fotos zu machen und uns gedanklich auf die uns bald erwartende altbekannte aber doch so andere Welt einzustimmen.
Leider war die Zeit am Ende doch zu knapp und ich konnte einigen Menschen in Wa nicht mehr Tschüß sagen, bevor wir am 17. August mit einem lachenden und einem weinenden Auge im Nachtbus ein letztes Mal aus Wa heraus nach Accra starteten.
Erstmals war bei dieser Fahrt allerdings ein schwerbewaffneter Polizist an Bord, denn es gab in den Wochen zuvor gleich zwei Raubüberfälle auf Nachtbusse dieser Busgesellschaft, bei denen ein Fahrer, mehrere Fahrgäste und einige Täter erschossen wurden.

Am 18. August empfingen wir am Flughafen unsere 5 Nachfolger vom SFD Kassel: Vayu, Leonie, Mara, Katharina und Nicola. Vayu wird unsere Arbeit an der Kaleo Senior High School weiterführen, während Leonie und Mara in der Girls Senior High School in Jirapa unterrichten werden und Katharina und Nicola in einer Gehörlosenschule in der Nähe von Accra unterrichten werden. Ich kann euch nur wärmstens die Blog's ans Herz legen:

http://in-ghana.de/ (Vayu, Leonie und Mara)

http://nohurryinlife.wordpress.com/ (Nicola)

http://kaddigoestoghana.blogspot.com/ (Katharina)

Wir haben den Fünfen in einem Crashkurs von zwei Tagen alles wesentliche fürs Überleben in Ghana vermittelt: Vom TroTro-Fahren übers Essen am Straßenrand und einem ersten Strandbesuch in Kokrobitey bis hin zum Abwimmeln lästiger Verkäufer aufm Markt. Nach der Beantwortung hunderter Fragen konnten wir die Truppe guten Gewissens am 20. August verabschieden und machten uns auf den Weg zum Flughafen.

Am Flughafen ein letztes Schmunzeln über die ghanaische Mentalität: Aufgrund des Mangels an elektronischen Gepäckkontrollen musste an einem Schalter jedes Gepäckstück einzeln von Beamten per Hand durchsucht werden. Wir hatten das Glück, an eine Frau zu geraten, welche aus der Upper West Region stammt - schnell ein paar Worte in Dagaare gewechselt und über unsere Arbeit in Kaleo berichtet und schon war die Pflicht der Gepäckdurchsuchung vergessen. ;-)

Leider nahmen es die Damen beim Gepäck-Wiegen dafür umso genauer. Etwa 3 Kilo Übergewicht pro Koffer zwangen mich dazu, mich bis zum Zusammenbruch mit Handgepäck vollzuladen, trotz 40°C mehrere Schichten Jacken und Shirts anzuziehen und auch meine Mitreisenden mit dem Tragen meiner Utensilien zu beauftragen. Lustig wurde es, als wir uns in London am Flughafen alle voneinander trennten und ich nun mit gefühlten 100Kilo Handgepäck ins Flugzeug nach Berlin stieg. In ghanaischen TroTros ging das alles irgendwie viel einfacher.

In Berlin angekommen wurde ich vorzüglich begrüßt:

Beamter: "Tach! Pass!"

[Ich geb ihm den Pass, mein Flugticket noch mit drinliegend]

Beamter: "Ick brauch nur den Pass, der Rest jeht mich nüscht an, sonst verklacht mich am Ende noch der Staat"

Willkommen in Deutschland!


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Christopher Ullrich
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