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Berichte

Monatsbericht Juni
11.07.2011 - 21:20 Uhr
 

Heute kommt endlich wieder ein neuer Monatsbericht, diesesmal für Juni.

Da diesen Monat so viele wichtige Dinge passiert und zeitweise nebeneinander her gelaufen sind, wird es vielleicht ein wenig Durcheinander im Bericht geben. Mein Stichpunktzettel hier ist jedenfalls ein riesiges Chaos, aber ich geb mir Mühe, das jetzt alles in eine logische Ordnung zu bringen:

Der Monat fing schon doof an: Am 1. Juni wachte ich frühs auf und fühlte mich wie erschlagen. Schwäche, Schüttelfrost, Gliederschmerzen und hohes Fieber – da bedarf es gar keinen Arzt mehr: Malaria. Ich bat Hans, den Schülern zu sagen, dass mein Unterricht die nächsten Tage ausfallen wird und mir Medikamente zu besorgen. Da ich im Januar ja bereits Malaria hatte, diese aber nach einem Tag Bettruhe wieder auskuriert war, sah ich das ganze ziemlic locker und kannte die nötigen Medikamente. Doch weit gefehlt. Da ich vor etwa zwei Monaten meine Malaria-Prophylaxe vorschriftsmäßig abgesetzt hatte, fiel die Malaria dieses mal bei weitem nicht so harmlos aus. Vier Tage lag ich mit 42°C Fieber im Bett und fühlte mich krank wie noch nie. Gott sei Dank schlugen die Medikamente aber schließlich doch an und ich hab alles gut überstanden.

Einziger Wehrmutstropfen: Die von Hans und mir geplante Kaleo-Kneipen-Tour am Herrentag fiel dadurch ins Wasser. :-D

Das wohl beeindruckenste Ereignis diesen Monat und in der Geschichte unserer Schule überhaupt geschah dann am Samstag Nachmittag des 4. Juni.

Nach wie vor weiß ich nicht hundertprozentig was ablief, da ich alles nur vom Hörensagen weiß, aber hier meine Darstellung:

An jenem besagten Samstag Nachmittag gab es irgendein Problem mit der Durchführung des Entertainments, das heißt der musikalischen Unterhaltung der Schüler am Nachmittag/Abend. Da dies zu Unmut unter den Schülern führte, sagte der Entertainment-Prefect, dass er die Unterhaltung dann halt komplett ausfallen lasse. Irgendwie schaltete sich schließlich einer meiner Kollegen in das Geschehen ein.

Diesen Lehrer habe ich bisher als extrem netten und freundlichen Menschen kennengelernt, der immer wenn er mich sieht einen lustigen Spruch auf den Lippen hat und überhaupt echt dufte ist.

Doch eben dieser Lehrer ist während des genannten Entertainment-Konfliktes irgendwie völlig ausgerastet. Was ihn zur Weißglt gebracht hat, weiß ich nicht genau, jedoch ging er schließlich mit einem Schlagstock bewaffnet auf sämtliche Schüler auf dem Schulhof los. Dies ist in Ghana übrigens gesetzlich verboten.

Aber nicht nur das: er ist mit seinem Stock in die Wohnhäuser, insbesondere das Haus der Schülerinnen (wo ihm der Zutritt als Mann ohnehin verboten ist) und hat selbst die duschenden, nackten Mädchen dort verprügelt.

Da sich unsere Schüler dies nicht bieten lassen wollten, eskalierte die Situation auf dem Campus schließlich. Den gesamten Nachmittag/Abend schmissen die Schüler Steine über den Schulhof und zerlegten alles, was ihnen in die Finger kam. Lehrer, welche einschreiten wollten, wurden gebeten, zur eigenen Sicherheit wieder abzuhauen. Erst der Senior House Master, die ranghöchste Person an der Schule, konnte die Schüler schließlich stoppen.

Das sichtbare Ergebnis dieser Aktion waren zunächst diverse stark beschädigte Dächer, kaputte Scheiben und ein Loch im großen Haupt-Wassertank der Schule.

Doch die wahren Konsequenzen zeigten sich erst später: Am Montag morgen nach den Ausschreitungen lauschten alle gespannt den Worten des Schulleiters, welche er etwa wie folgt einleitete:

Uns hat die traurige Nachricht ereilt, dass vorgestern einer unserer gerade erst abgegangenen Schüler plötzlich und unerwartet verstorben ist.

Doch wie auch immer, es werden sicherlich bald noch mehr von euch sterben, denn hiermit erlaube ich unserem Lehrerkollegium offiziell den Gebrauch von Schusswaffen, sofern sie nochmal einen Schüler mit einem Stein in der Hand sehen sollten. Waffen stelle ich gerne zur Verfügung.

[Lachen unter den Lehrern und Sätze wie „Ich hätte gerne eine Panzerfaust“]

Schüler, ihr seid am vergangenen Samstag zu Recht hinter dem Leben einer einzelnen Person her gewesen. Doch was hat euch der große Wassertank getan? Was hat euch mein Küchendach getan?

Der Unterricht ist bis auf Weiteres ausgesetzt.“

Das war also die, zugegebenermaßen in dieser Form sehr unerwartete, Stellungnahme des Schulleiters.

Der Unterricht wurde für die gesamte Woche ausgesetzt, ehe genau eine Woche später der Schulleiter in einer erneuten Versammlung den sofortigen Rausschmiss von 8 Schülern bekannt gab, 2 aus der Form 1 und 6 aus der Form 3. Nahezu alle dieser Schüler kannte ich aus dem ICT-Unterricht und einige von ihnen waren wirklich herausragende Talente. Umso tragischer ist der Rausschmiss, denn ohne Abschluss an einer Senior High School ist diesen jetzt der Zugang zu einer Universität für immer verwehrt.

Und wenn man es als Schüler (besonders hier im Norden Ghanas) nicht zu einer guten Ausbildung an der Universität schafft, bleiben einem nur wenig Chancen auf einen guten Job.

Um das ganze jetzt noch auf die Spitze zu treiben: Der Lehrer, welcher durch seine offensichtliche Kindesmisshandlung diese Ausschreitungen verursacht hatte, blieb völlig unbestraft. Aber auch soetwas ist leider Ghana.

Die freie Schulwoche passte mir persönlich aber super, denn so konnte ich von Montag bis Mittwoch in die Upper East Region, genauer in dessen Regionalhauptstadt Bolgatanga fahren. Ein philippinischer Freiwilliger hatte mich eingeladen, dort in der Nähe ein von ihm organisiertes Quiz Bowl per Videokamera zu dokumentieren. Da die Upper East die einzige Region war, welche ich noch nicht kannte und laut Reiseführer „die interessanteste Region Ghanas“ ist, kam mir seine Einladung recht und ich begleitete ihn gerne.

Die Upper East zeichnet sich in meinen Augen durch weite flache Hügel aus, welche jetzt in der Regenzeit saftig grün bewachsen fast den schottischen Highlands ähneln. Auf diesen Hügeln befinden sich nur wenige Häuser, welche auch weit auseinander stehen. Die Häuser sind grundsätzlich aus Lehm und häufig in Rundbauweise; manche sind riesig groß (6-7 Rundhäuser durch Mauern verbunden) und alle haben einen fetten Baum und ein Feld in unmittelbarer Nähe.

Ein Blick auf die Aufnahmen dieser Gebäude in meiner Galerie lohnt sich auf jeden Fall.

Die Regionalhauptstadt Bolgatanga selbst ist die in meinen Augen schönste Stadt Ghanas. Da diese Stadt erst in den letzten 10 bis 15 Jahren zu ihrer Größe gekommen ist (Einwohnerzahl verzehnfacht), sind sämtliche Gebäude sehr modern und auch die Straßen haben europäischen Asphalt mit Straßenmarkierungen und Leitplanken. Die Stadt ist relativ gesehen sehr sauber und durch die Lage an der Haupt-Transport-Trasse zwischen Ghana und Burkina Faso gibt es viele tolle Dinge zu kaufen, die man sonst nirgendwo bekommt. So eine glänzende Stadt habe ich in der sonst so traditionellen Upper East Region definitiv nicht erwartet.

Nachdem wir am Mittwoch zurück in unsere Upper West Region fuhren, verbrachte ich den Rest der Woche bei meinem philippinischen Freund in Nandom, um dort am Samstag zunächst ein weiteres Quiz Bowl zu organisieren und am Sonntag, den 12. Juni bei einer riesen Feier in seinem Haus mit Schwein am Spieß den philippinischen Unabhänigkeitstag zu celebrieren.

Am Montag, den 13. Juni hatte ich dann endlich die erste reguläre Unterrichtsstunde in diesem Monat, jedoch blieb das nicht so geregelt, denn schon am nächsten Tag habe ich mich auf den Weg nach Accra gemacht. In der Hauptstadt war ich wieder mit dem Freiwilligen aus Nandom zusammen, um zum einen Materialien für die folgenden Quiz Bowl Veranstaltungen zu besorgen, als auch Dinge, welche es im Norden nicht gibt, für meine Geburtstagsfeier zu kaufen und einfach nur den Luxus zu genießen.

Unser Hotel lag in Accras Stadteil Osu und zwischen gemütlichen Cafés, extrem guten Restaurants, riesigen Supermärkten und Diskotheken fühlte ich mich für 4 Tage nach Europa zurückversetzt und habe es sehr genossen. Der Anteil an weißen Personen überwiegt in diesem Teil Accras auch beinahe den Anteil der Einheimischen.

Als ich am 19. Juni aus Accra zurückkam, war schonwieder nichts mit Unterricht: Die nächste Woche war „Midtermbreak“, also Ferien in der Mitte des Schuljahr-Drittels.

Unsere Überlegungen, was wir mit der freien Zeit anstellen, übernahm jemand anderes für uns:

Eines morgens kam dieser Jemand zu uns und fragte, ob wir schon unsere Sachen fertig gepackt hätten und ob uns der Schulleiter nicht informiert hätte. Da wir garnicht wussten, was er will, erklärte er uns, das die 12 britischen Freiwilligen, welche wir für den 4. Juli hier erwarteten und die dann in unser Haus ziehen sollen, bereits in Accra seien und innerhalb der nächsten 48 Stunden in unser Haus einziehen würden. Waaaas? 48 Stunden, um all unser Zeug zusammenzuräumen und rüber in das Haus von Jason zu verfrachten? Und das obwohl der nächste Tag schon komplett verplant war (dazu gleich mehr)? Und wegen Ferien keine Schüler auf dem Campus, die uns helfen können?

Kurzum: Wir haben es tatsächlich geschafft und wohnen jetzt in dem für uns eigentlich vorgesehenen, aber ungünstiger aufgebautem (2 Durchgangszimmer bis zum Klo) Freiwilligen-Haus, zusammen mit Jason.

Der angesprochene bereits verplante Tag war der 22. Juni. Unsere Schule wurde nach Lawra zu einer Quiz Bowl Veranstaltung geladen, um sich mit anderen Schulen im Bereich der Naturwissenschaften zu messen. Da die teilnehmenden Schulen (aufgrund verschiedener Unterrichts-Ausrichtungen) in zwei Gruppen geteilt wurden, hatten wir das Glück, gegen gerade einmal 2 andere Schulen antreten zu müssen.

Da ich in diesem Monat ja schon reichlich Erfahrung mit diesen Quiz Bowls gesammelt hatte, konnte ich meine Schüler auch sehr gut vorbereiten und so war es ein Leichtes für die Kaleo Senior High School die goldene Trophäe zu holen. Zudem bekamen zwei unserer Schüler Bronze und Gold für die besten Einzel-Leistungen.

Ich war stolz auf meine Schüler und die Ladefläche des Pickups, mit welchem wir zum Quiz gefahren waren, wurde auf dem Rückweg zur Tanzfläche umfunktioniert. Zusammen mit 13 Schülern stand ich trotz Regen auf der Ladefläche und es wurde gesungen, getanzt und die Trophäe den vorbeiziehenden Menschen hochgezeigt. Das war ein Spaß.

Am darauffolgenden Wochenende fuhr ich erneut für drei Tage mit dem philippinischen Freiwilligen und diesmal auch mit Hans zusammen nach Bolgatanga, um ein weiteres Quiz Bowl in der Upper East Region zu organisieren und dokumentieren.

Wenn ihr euch inzwischen fragt, warum ich dies so oft mache: Ich bin verpflichtet, eine gewisse Anzahl von Bildungsersatztagen abzuleisten, das heißt eine gemeinnützige Arbeit unabhängig von meiner eigentlichen Einsatzstelle, damit mein Freiwilligendienst schließlich auch in Deutschland vom Bundesamt für Zivildienst anerkannt wird. Meine Mitfreiwilligen haben ihre Bildungsersatztage meist in deutschen Kindergärten o.ä. gemacht, ich hingegen wollte sie hier in Westafrika ableisten, um nocheinmal ein anderes Projekt begleiten zu können.

Mit den Quiz Bowls will mein philippinischer Kumpel im Namen seiner Organisation auf regionaler, interregionaler und nationaler Ebene Schulen gegeneinander antreten lassen, um so einen Überblick über die Bildungssituation in Ghana zu bekommen. Da das Projekt noch in den Kinderschuhen steckt, habe ich entschlossen, mich direkt von Anfang an mit einzuklinken und die Vorbereitung und Videodokumentation zu übernehmen.

Zum Ende des Monats gab es dann eine Panne in unserem Haus in Kaleo. Während eines Gewitters fiel der Strom aus, was ja eigentlich nichts besonderes ist. Doch diesmal war nur unser Haus, der Computer-Lab und der Science-Lab betroffen – der Rest des Ortes hatte Strom. Und jetzt kommts: Der Strom kam erst nach 5 Tagen und diversen Anrufen beim Energiekonzern wieder. Eine Leitung war gerissen und hatte nur die oben genannten drei Gebäude vom Netz getrennt.

Dadurch habe ich also auch in der letzten Woche im Juni nur genau einen Tag unterrichten können. Das hat sich echt gelohnt diesen Monat.

So, das solls erstmal wieder gewesen sein.

Im nächsten Bericht erfahrt ihr dann ausführlichst, wie mein 20. Geburtstag in Ghana abgelaufen ist. Freut euch drauf.

Liebe Grüße


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Christopher Ullrich
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